Ketamin wurde ursprünglich als Narkosemittel entwickelt und wird bis heute dafür eingesetzt. Bereits in den 70er Jahren wurde erkannt, dass Ketamin unter gewissen Umständen eine antidepressive Wirkung zeigt. In den letzten Jahren zeigt sich immer deutlicher, dass auch bei Beeinträchtigungen durch traumatische Erfahrungen und bei anderen psychischen Problemen sehr gute Erfolge damit erzielt werden können. Die genauen Wirkmechanismen sind nicht abschliessend bekannt. Es wird angenommen, dass Ketamin auf verschiedenen Ebenen wirkt:
Neuroplastisch
Nach der Einnahme von Ketamin ist unser Gehirn für ein bis zwei Tage in einem Zustand, in dem sich Nervenzellen besser vernetzen und neues besser aufgenommen werden kann. Das Gehirn ist also in einem sehr aktiven Zustand, der es uns ermöglicht, einfacher aus alten Mustern auszusteigen.
Bewusstseinserweiternd
Wie in einem Traum sind unter der Wirkung von Ketamin Zustände möglich, die wir im Alltag selten oder nie erleben. Oft werden Ängste und andere überwältigende Gefühle weniger bedrohlich wahrgenommen, wodurch es uns möglich wird, Themen zu konfrontieren, denen wir gewöhnlich ausweichen oder die unser Gehirn aus Angst gar nie ins Bewusstsein bringt. Zustände oder Gefühle, die sich normalerweise gegenseitig ausschliessen, können gleichzeitig auftreten. Wahrnehmungen, die wir im Alltag ausblenden, können in den Vordergrund rücken und unser Gehirn verbindet Inhalte miteinander, die unser rationales Denken normalerweise als “Unsinn” abtut.
Dadurch ermöglicht uns Ketamin, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, Zusammenhänge zu erkennen, die wir vorher nicht gesehen haben und Dinge, die wir sonst nur unbewusst registrieren, bewusst wahrzunehmen.
Neuronal vernetzend
Gerade bei Menschen mit traumatischen Erfahrungen sind oft einzelne Nerven-Netzwerke relativ abgekoppelt vom Rest des Gehirns. Es wird angenommen dass gerade dieser Umstand dazu beiträgt, dass traumatische Erfahrungen so lange und so lebhaft in der Erinnerung bleiben und als “noch nicht vorbei” erlebt werden.
Währen der Wirkung von Ketamin sind Gehirnregionen besser miteinander in Kontakt. Teile des Gehirns oder einzelne Netzwerke, welche normalerweise wenig Austausch miteinander haben, beginnen sich zu vernetzen. Dies hilft dem Gehirn, zu erkennen, welche Teile der Nerven-Netzwerke “veraltet” sind und nicht mehr gebraucht werden. Dadurch kann sich das Gehirn besser von traumatischen Inhalten und veralteten Mustern verabschieden und sich vermehrt mit der Gegenwart beschäftigen.
Einsatz von Ketamin in unserer Praxis
In der Schweiz kann Ketamin im Rahmen eines Off-Label-Use bei psychischen Störungen angewendet werden. Off-Label-Use bedeutet, dass ein zugelassenes Medikament / ein zugelassener Wirkstoff ausserhalb des von der Zulassungsbehörde Swissmedic genehmigten Anwendungsbereichs eingesetzt wird. Dies ist in der Medizin in vielen Bereichen eine gängige Praxis. So werden in der Pädiatrie oft Medikamente eingesetzt, welche nur für Erwachsene zugelassen sind. In der Psychiatrie werden z.B. gewisse Neuroleptika gegen Ängste oder als Mood-Stabilizer eingesetzt.
Ketamin wird in unserer Praxis nie isoliert angewendet. Es wird immer nur bei Bedarf als ergänzendes Element einer umfassenden Psychotherapie genutzt.
Ketaminsitzungen werden bei uns immer medizinisch und psychotherapeutisch begleitet.